Breslau – Historische Metropole an der Oder

Historische Häuser am Breslauer Marktplatz. Auf dem Markt herrscht reges Treiben.

Geografische Lage und Bedeutung

Breslau, auf Polnisch Wrocław, ist mit etwa 640.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Polens und Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien. Die Stadt erstreckt sich über eine Fläche von 292,8 Quadratkilometern und liegt auf einer Höhe von durchschnittlich 120 Metern über dem Meeresspiegel. Breslau befindet sich im Südwesten des Landes, etwa 350 Kilometer von Berlin und 300 Kilometer von Prag entfernt.

Die Stadt liegt an der Oder und deren Nebenflüssen Oława, Ślęza, Bystrzyca und Widawa. Bemerkenswert ist, dass Breslau auf 12 Inseln erbaut wurde und über 130 Brücken verfügt, was ihr den Beinamen „Venedig Polens“ eingebracht hat. Die größte dieser Inseln ist die Dominsel (Ostrów Tumski), der historische Kern der Stadt.

Als wichtiges wirtschaftliches, kulturelles und akademisches Zentrum Polens hat Breslau in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Die Stadt wurde 2015 zur Europäischen Kulturhauptstadt 2016 gewählt und war 2017 Gastgeber der World Games, was ihre internationale Bedeutung unterstreicht.

Geschichte im Wandel der Zeit

Die Geschichte Breslaus reicht bis ins 10. Jahrhundert zurück, als der böhmische Herzog Vratislav I. eine Burg auf der Dominsel errichtete. Der Name der Stadt leitet sich vermutlich von diesem Herzog ab. Archäologische Funde belegen jedoch, dass das Gebiet bereits in der Steinzeit besiedelt war.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde Breslau von verschiedenen Herrschern regiert, was zu einer faszinierenden Mischung von Einflüssen führte:

  • 1000-1138: Unter polnischer Herrschaft wurde Breslau Bischofssitz.
  • 1138-1335: Die Stadt gehörte zum Herzogtum Schlesien unter der Herrschaft der Piasten.
  • 1335-1526: Böhmische Herrschaft unter den Luxemburgern und Jagiellonen.
  • 1526-1741: Als Teil der Habsburgermonarchie erlebte Breslau eine Blütezeit.
  • 1741-1945: Unter preußischer und später deutscher Herrschaft wurde Breslau zu einer bedeutenden Industriestadt.

Im Mittelalter erlebte Breslau als Mitglied der Hanse eine wirtschaftliche Blütezeit. Die Stadt war ein wichtiger Knotenpunkt für den Handel zwischen Ost- und Westeuropa. Im 16. Jahrhundert war Breslau nach Prag die zweitgrößte Stadt des Heiligen Römischen Reiches.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Breslau zur „Festung“ erklärt und schwer zerstört. Etwa 70% der Stadt lagen in Trümmern. Nach Kriegsende wurde Breslau Teil Polens, die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben und durch Polen ersetzt, die hauptsächlich aus den an die Sowjetunion verlorenen Ostgebieten kamen.

In der Nachkriegszeit wurde die Stadt wieder aufgebaut, wobei man sich bemühte, den historischen Charakter zu bewahren. Besonders der Wiederaufbau des Marktplatzes gilt als Meisterleistung der Restaurierung.

Sehenswürdigkeiten und Kultur

Unsere ausführliche Liste mit den schönsten Sehenswürdigkeiten von Breslau finden Sie HIER. Für eine kurze Übersicht, lesen Sie weiter:

Das Herzstück Breslaus ist der Große Ring (Rynek), einer der größten mittelalterlichen Marktplätze Europas mit einer Fläche von 3,8 Hektar. Hier steht das gotische Rathaus, dessen älteste Teile aus dem 13. Jahrhundert stammen. Der 66 Meter hohe Turm bietet einen tollen Ausblick über die Stadt. Im Inneren des Rathauses befindet sich das historische Restaurant Piwnica Świdnicka, das seit 1273 ununterbrochen in Betrieb ist und damit eines der ältesten Restaurants Europas darstellt.

Blick auf den Rynek. Breslaus berühmten Marktplatz. Am rechten Rand ist das Rathaus zu sehen.
Der Marktplatz von Breslau. Die Bürgerhäuser aus Hanse-Zeiten umrahmen den Markt. Rechts ist der Rathausturm, von dessen Spitze sich ein toller Blick über die Stadt bietet.

Rund um den Rynek stehen 60 wunderschöne Bürgerhäuser, von denen viele aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen. Besonders sehenswert sind das Haus „Unter den Greifen“ mit seiner reich verzierten Renaissancefassade und das Haus „Zur Goldenen Sonne“ mit barocken Elementen.

Die Dominsel, der älteste Teil der Stadt, beherbergt die imposante Johanneskathedrale aus dem 13. Jahrhundert. Die Kathedrale wurde im gotischen Stil erbaut und im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgestaltet. Bemerkenswert sind die beiden 98 Meter hohen Türme, die die Skyline Breslaus prägen. Im Inneren finden sich wertvolle Kunstschätze, darunter das Grabmal des Gründerbischofs Walter von Malonne aus dem 12. Jahrhundert.

Blick über die Oder auf die Dominsel von Breslau.
Blick über die Oder zur Dominsel.

Ebenfalls sehenswert ist die spätgotische Elisabethkirche mit ihrem 91 Meter hohen Turm. Die Kirche beherbergt die größte Orgel Polens mit über 100 Registern und mehr als 6.500 Pfeifen. In der Nähe befindet sich die barocke Universität, deren prunkvoller Leopoldinasaal zu den schönsten Bibliothekssälen Europas zählt.

Ein besonderes Wahrzeichen Breslaus sind die über 350 Zwerge, kleine Bronzefiguren, die seit den 1980er Jahren in der ganzen Stadt verteilt sind. Sie erinnern an die antikommunistische Bewegung „Orange Alternative“, die in den 1980er Jahren mit humorvollen Aktionen gegen das Regime protestierte. Heute sind die Zwerge zu einer beliebten Touristenattraktion geworden, und es gibt sogar spezielle Stadtführungen, die sich auf die Suche nach den kleinen Figuren machen.

Zwer in der Breslauer Innenstadt. Die Zwerge sind eine Attraktion der Stadt.
Zwei der über 350 Zwerge in der Breslauer Innenstadt

Moderne Stadtentwicklung

In den letzten Jahren hat Breslau erhebliche Anstrengungen unternommen, um seine Infrastruktur zu modernisieren. Ein Beispiel dafür ist der 2012 eröffnete Hauptbahnhof, der alte und neue Architektur geschickt verbindet. Das historische Gebäude wurde komplett renoviert und um einen modernen Glaskubus erweitert. Täglich nutzen etwa 54.000 Passagiere den Bahnhof.

Das öffentliche Verkehrsnetz wurde ausgebaut, mit einem umfangreichen Straßenbahn- und Bussystem. Breslau verfügt über 23 Straßenbahnlinien mit einer Gesamtlänge von 250 Kilometern. Besonders interessant ist die Straßenbahnlinie 0, die mit historischen Wagen durch die Innenstadt fährt.

Die Oder spielt eine wichtige Rolle im Stadtbild. Entlang des Flusses wurden Grünanlagen und Promenaden angelegt, die zum Spazieren und Verweilen einladen. Der Szczytnicki-Park im Osten der Stadt ist mit 100 Hektar die größte Grünanlage und beherbergt den Japanischen Garten, der 1913 anlässlich der Jahrhundertausstellung angelegt wurde.

Blick zur Hala Stulencia in Breslau aus der Ferne.
Die Jahrhunderthalle (Hala Stulencia)

Ein bemerkenswertes Beispiel moderner Architektur ist die 2011 eröffnete Jahrhunderthalle (Hala Stulecia). Das von Max Berg entworfene Gebäude wurde 1913 fertiggestellt und gilt als Meisterwerk des Frühmodernismus. Es wurde 2006 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Die Halle verfügt über eine Kuppel mit einem Durchmesser von 65 Metern und kann bis zu 10.000 Besucher fassen.

Kultur und Veranstaltungen

Breslau verfügt über ein reichhaltiges kulturelles Angebot. Die Nationaloper, das Musikforum und zahlreiche Theater bieten das ganze Jahr über Vorstellungen. Das Nationalmuseum beherbergt eine umfangreiche Sammlung schlesischer Kunst, darunter Werke von Michael Willmann, dem „schlesischen Rembrandt“.

2016 war Breslau Europäische Kulturhauptstadt, was zu zahlreichen kulturellen Initiativen und Veranstaltungen führte. Viele davon, wie das Literaturfestival oder das Jazzfestival, finden jährlich statt und ziehen Besucher aus ganz Europa an.

Zu den besonderen kulturellen Highlights gehören:

  • Das Wratislavia Cantans, ein internationales Festival für klassische und zeitgenössische Musik, das seit 1966 jährlich stattfindet.
  • Das New Horizons Film Festival, das größte Filmfestival Polens mit über 130.000 Besuchern.
  • Das Theater Olympiad, ein internationales Theaterfestival, das 2016 zum ersten Mal in Polen stattfand.

Breslau ist auch für seine lebendige Kneipenkultur bekannt. In der Altstadt gibt es zahlreiche historische Bierkeller und moderne Craft-Beer-Bars. Das Bier hat in Breslau eine lange Tradition: Die erste urkundliche Erwähnung einer Brauerei stammt aus dem Jahr 1351.

Breslau heute: Eine Stadt im Aufbruch

Heute präsentiert sich Breslau als moderne, weltoffene Stadt, die ihre reiche Geschichte bewahrt und gleichzeitig in die Zukunft blickt. Die Stadt hat in den letzten Jahren mehrere internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den Titel „Best European Destination 2018“.

Mit seiner Mischung aus historischem Charme und dynamischer Entwicklung zieht Breslau zunehmend Touristen, Studierende und internationale Unternehmen an. Die Zahl der Übernachtungen ist von 1,1 Millionen im Jahr 2010 auf über 2,5 Millionen im Jahr 2019 gestiegen!

Breslau investiert stark in nachhaltige Entwicklung. Die Stadt hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu gehören Projekte wie die Umstellung des öffentlichen Nahverkehrs auf Elektrofahrzeuge und die energetische Sanierung von Gebäuden.

Die Stadt ist auch ein Zentrum für Innovation und Start-ups. Der Breslauer Start-up-Inkubator unterstützt jährlich über 200 junge Unternehmen. Einige erfolgreiche Start-ups aus Breslau, wie das Fintech-Unternehmen Bankier.pl, haben inzwischen internationale Bekanntheit erlangt.

Breslau ist ein faszinierendes Beispiel für den erfolgreichen Wandel einer mitteleuropäischen Metropole im 21. Jahrhundert. Die Stadt verbindet auf einzigartige Weise historisches Erbe, kulturelle Vielfalt und wirtschaftliche Dynamik und positioniert sich damit als attraktives Ziel für Besucher, Studierende und Unternehmen aus ganz Europa.